[ Zu Gastkinder ]
Wie wir Gasteltern wurden
Im September 2014 kam mir (Jens) die Idee, eine Austauschschülerin
(nachfolgend kurz ATS genannt) bei uns aufzunehmen.
Die Gründe dazu kann ich gar nicht so genau sagen,
außer dass mich das Thema schon seit meinem Studium interessiert
und ich irgendwie Lust hatte, einfach mal etwas Neues auszuprobieren.
Ich recherchierte lange im Internet und las viele Erfahrungsberichte,
sowohl von Gasteltern als auch von Gastschülern.
Auffällig war, dass auf den Homepages der Austauschorganisationen
alles rosig wie im Urlaub dargestellt wird und in den Foren
neben vielen positiven Erfahrungen auch relativ häufig
negative Erlebnisse geschildert werden.
Besonders häufig waren negative Erfahrungen bei amerikanischen
Gastkindern zu lesen, sowohl aus Nord- als auch aus Südamerika.
Nun möchte ich auf keinen Fall amerikanischen Austauschschülern
Unrecht tun und vorverurteilen, aber ich kann mir gut vorstellen,
dass einige (wenige) von ihnen mit einer gewissen Überheblichkeit
hier herkommen.
Schließlich stammen südamerikanische ATS häufig
aus reichem Elternhaus mit Hausangestellten und werden gelegentlich
auch gegen ihren Willen ins Ausland geschickt.
Und nordamerikanische ATS kommen meistens sowieso aus dem
"großartigsten Land der Erde"
(Barack Obamas Worte über sein Land)).
Als ich auf YouTube viele Videos fand,
in denen sich Amerikaner über Deutschland lustig machen,
schwenkte mein Blick nach Osteuropa.
In den dortigen Erfahrungsberichten waren Überheblichkeit
und Interessenlosigkeit kaum zu finden.
Letzendlich landete ich bei dem von Dr. Peter Goebel gegründeten Verein
Gastschüler in Deutschland e.V.
Bei diesem Verein gefällt mir besonders, dass
- das Hauptaugenmerk auf Osteuropa/Russland liegt,
-
der Aufenthalt in Deutschland 3 Monate dauert
(fand ich nicht zu kurz und auch nicht zu lang),
-
durch sehr strenge Teilnahmebedingungen, Wohlverhaltenskaution
und vorbereitende Hausaufgaben versucht wird,
die Teilnehmer herauszufiltern,
die den Sinn des Programms nicht verstanden haben,
-
die Hinweise für die Gasteltern praxistauglich sind und
auch auf mögliche Probleme und Konfliktthemen eingegangen wird,
-
der Verein gemeinnützig ist und auch solche Kinder fördert,
deren Eltern nicht das Geld für einen Auslandsaufenthalt haben.
Ich rief die Betreuerin an, die zu uns am nächsten wohnt.
Das ist Frau Christine Erb aus Chemnitz und zuständig für
die Region Irkutsk/Angarsk in Russland.
Wenige Tage später bekamen wir die Bewerbungen
von drei Mädchen per E-Mail zugeschickt.
Wir haben Familienrat gehalten und uns für die 13-jährige
Sofia Badmaeva aus Irkutsk entschieden.
Da noch Gasteltern gesucht wurden und der Verein in unserer Region
keine weiteren Gasteltern hat, erschien am 28. Januar 2015
im Allgemeinen Anzeiger folgender Artikel:
Vielen Dank an Jana Scheiding für die freundliche Genehmigung,
den Artikel auf unserer Homepage veröffentlichen zu dürfen.
Der Artikel brachte zwar keine neuen Gasteltern,
doch wir waren schlagartig bekannt.
Fast täglich wurden wir gefragt, ob unser Gastkind schon da ist.
Da waren wir dann wirklich froh,
als der 17. April 2015 gekommen war und wir unsere
Sonja (umgangssprachliche Kurzform von Sofia)
am Flughafen Dresden abholen konnten.
Der Artikel im Allgemeinen Anzeiger wurde auch von der in Saalfeld
lebenden syrischen Journalistin Yara Wehbi gelesen,
die für eine arabische Online-Zeitung über die deutsche
Zivilgesellschaft schreibt.
Und so kam es, dass sie auch über uns schrieb:
Link zum Artikel von Yara Wehbi
© 2015 Jens Müller